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Don Farrago: Franz Josef Degenhardt wird 75

Sonntag, 3. Dezember 2006

Franz Josef Degenhardt wird 75

Singen für den Klassenkampf und wider die bürgerliche Borniertheit
Liedermacher Franz Josef Degenhardt bleibt sich treu

Kaum ein Lied war gemütlicher, um den Muff der elterlichen Spießigkeit und Borniertheit anzuprangern, als Franz Josef Degenhardts mit samtiger Stimme zu sanftem Klampfengeplinker gesungene Hymne "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder ...". Degenhardt dichtete und grummelte im Parlando-Stil von "Hosti Schmandhoff", dem brutalen Kleinbürger-Nazi, von "Tonio Schiavo", dem in Deutschland zu Tode gekommenen Gastarbeiter, und von "Rudi Dutschke", dem Studentenführer. "Schöne Poesie ist Krampf im Klassenkampf" verkündete er im aufrührerischen Jahr 1968. Durch die Studentenbewegung politisiert, prangerte er die westdeutschen Nachkriegs- und Wirtschaftswunder-Verhältnisse an: "Verunsicherung der bürgerlichen Ideologie", wie er es nannte, und Aufbauhilfe für die sozialistische Opposition waren seine Ziele. Villon, Brassens, Wedekind, Tucholsky und Brecht zählte er zu seinen Vorbildern. Rund 30 Alben, mehrere Textbücher und sieben Romane brachte er heraus.

1931 in Schwelm am Rande des Ruhrgebiets geboren, wuchs der spätere Rotfront-Barde in einer "militant katholischen und antifaschistischen Familie" mit Bezügen zum sozialistischen Milieu auf. Sein Vetter war der als sehr konservativ geltende Kardinal Johannes Joachim Degenhardt (1926-2002), Erzbischof von Paderborn. Franz Josef studierte Jura in Freiburg und Köln, promovierte, ging 1969 als Anwalt nach Hamburg und verteidigte bei APO-Prozessen Sozialdemokraten und Kommunisten. Als Folge des "Unvereinbarkeitsbeschlusses" 1971 wurde er nach zehn Mitgliedsjahren aus der SPD ausgeschlossen, 1978 trat Degenhardt der DKP bei.

Zu seinen Weggefährten gehörten Rudi Dutschke, Wolf Biermann, Wolfgang Neuss und Dieter Süverkrüp. Manch radikalisierten 68ern war der Liederdichter zu reformistisch. Gegenüber der Friedensbewegung pflegte wiederum das "APO-Großväterchen" Vorbehalte. Noch bis 2004 hat Degenhardt bei aktualisierten Programmen und von Sohn Kai (42) an der Gitarre unterstützt, die Konzertsäle mit inzwischen meist älteren Fans gefüllt.

Degenhardt heute und 1967


Heute ist es krankheitsbedingt ruhiger geworden um den in Quickborn bei Hamburg lebenden Ehemann und Vater von drei erwachsenen Kindern. Im September 2006 veröffentlichte er seine CD "Dämmerung". Gerade erschienen ist das von Kai Degenhardt herausgegebene Buch "Franz Josef Degenhardt - Die Lieder" mit sämtlichen Texten und Noten (Eulenspiegel-Verlag, Berlin). Im Gegensatz zu anderen konnten die Jahre am Kern seiner politischen Überzeugungen nichts ändern: Degenhardt bleibt sich treu, obwohl die Linienzeichner im historischen Orkus verschwunden sind, wie es ein Kritiker einmal formulierte.


Lieber Karratsch, danke für deine Denkanstöße... und Respekt für deine unwandelbare Konsequenz! Man muss nicht unbedingt mit dir einer Meinung sein, um zu sehen, worum es dir geht. Und lass dich nicht vor den Oskar-Karren spannen, auch wenn er um deine Liebe buhlt - da stehst du drüber! Alles Gute zum Geburtstag, und grüß mir den Mike K.!


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1 Kommentare:

Am/um 03.12.06, 21:31 , Anonymous Anonym meinte...

Mann, so lange ist das schon her mit den Schmuddelkindern? Wußte garnicht, daß der Degenhardt die ganze Zeit über so aktiv war/ist. Da muß ich mich doch noch mal schlau machen, was er in der Zwischenzeit so rausgebracht hat!

Ich bin zwar politisch nicht unbedingt seiner Meinung, aber ich finde, dass Leute wie er, Wolfgang Biermann usw doch irgendwie zu politischen und geselschaflichen Veränderungen beigetragen haben.

Die 60er/70er müssen ja für Studenten und junge Leute allgemein eine heiße Zeit gewesen sein: musikalisch, sexuell, politisch... und irgendwie wirkt das alles auch heute noch nach. Wär ganz gerne dabeigewesen!

 

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